Tuesday 29 November 2016

Die Horr

Artist's notes
This was the original German text to the translated English version above that I provide here for your interest. While I ususally get along fine in English, I am a native in a different tongue.

[...]
Nach zweieinhalb Tagen eingesperrt in ihren Kabinen - verschwenderisch ausgestatteten Kabinen, aber auch ein goldener Käfig war ein Gefängnis - war es wohltuend endlich an die Luft zu kommen. Es war eine unerfreuliche Eröffnung gewesen als die Kapitänin angekündigt hatte, sie dürften nicht einmal dem Abheben zusehen. Außerdem nicht die vorgeschriebenen Korridore verlassen oder irgendwelche Zeichnungen des Schiffs anfertigen, die Mannschaft ausfragen und noch eine Anzahl anderer teils absurd scheinender Anweisungen, die Ordschugran dazu veranlasst hatten die Mannschaft als wahngeplagte Bande von vermutlichen Halsabschneidern zu bezeichnen, nur weniger höflich. Kapitänin Korslamin hatte über den garrischen Unmutsausbruch gelacht, aber nur kurz, erklärt, dass sie Folgsamkeit erwartete, und jeden beflüstern würde der die Anweisungen missachtete.
Jetzt waren anscheinend alle Manöver abgeschlossen, die den Mitreisenden hätten verraten können wie das legendäre Staubschiff flog, und die Mannschaft war freundlich; ebenso wie das Wetter, das unerwartet sonnig für den Frühling in der Säulenstraße schien.
Ordschugran, die sich wohlig in der Sonne räkelte, Wasmir mit einer aufgeregten Mokri auf der Schulter und Benowe trafen sich auf dem Mitteldeck, auf dem auch andere Passagiere herum spazierten. Wasmir blinzelte in den fast wolkenlosen Himmel; die Tage vor und während des Abflugs hatte es wechselnd stark geregnet.
"Es wird trockener Richtung Lozir", gähnte Benowe, "falls ihr euch wundert warum es nicht mehr regnet." Die Kartnerin kannte sich mit den meisten Klimalagen aus und hatte auch sonst viel zusätzliches Wissen über ihre Reiseziele zu bieten. Sie streckte sich und stützte sich etwas wacher zwischen Ordschugran und Wasmir auf die Reling. Mokri tummelte sich mit einer Handvoll Solano mit einem Ball.
Unter ihnen erstreckte sich das mit einzelnen Felsnadeln gepunktete Meer. An vielen Stellen war es so flach dass man den Boden sehen konnte - Riffe, auch Wracks von Seeschiffen, unzählige Fische. Wasmir bedauerte dass er die Seevolksiedlungen vor der Küste verpasst hatte. Die Fahrt auf dem Staubschiff aber war einige Entbehrungen wert. Die Bewegung war absolut glatt, und die Gral-én'tach war so groß dass sie den Eindruck eines kleinen Dorfs machte. Die Mannschaft hatte Freizeit während die Fahrt so ruhig war, und spielte miteinander, den Solano oder den vielen Flugtieren die auf dem Schiff zuhause waren. Auf dem Hinterdeck bildete der Botenmeister einige der halbmetergroßen Hallrömmfalter und seinen Lehrling aus, eine Handvoll Jaafe jagte sich um die Masten. Wasmir folgte den Hallrömms mit den Augen bis zum vorderen der drei Flugfelsen die über dem Schiff hingen. Er entdeckte einen stattlichen Busch darauf, mit rosa Blüten bedeckt, um den ein emsiges Kommen und Gehen der Schmetterlinge herrschte. Benowe seufzte markerschütternd und gesprächsheischend. Wasmir fiel auf dass sie das erste Mal ihre vielen Taschen abgelegt hatte. Sie wirkte schmal und vor allem gelangweilt.
"Kein Kartenwerk? Papiere, Zirkel, Messgerät?", fragte Wasmir neckend. Benowe sah zu den Seglern. Mehr als vier Fünftel von ihnen trugen Zauberergürtel, und sie hatte über zwanzig Sammler gesehen. Nach Korslamins eindringlichen Anordnungen mochte sie sich nicht vorstellen wie die Reaktion ausfiele wenn sie mit Zeichenwerkzeug aufkreuzte. Sie stöhnte innerlich. Karten der Säulenstraße brachten wirklich viel Geld ein, und die Luftperspektive war fantastisch.
"Ich glaube nicht dass ich so gut wie du überstünde wenn sie mich über Bord würfen, nur weil mein Solan ein Loch durch zwei Decks buddelte", erwiderte sie leichthin. Unsicher blickte Wasmir zu Mokri, die friedlich mit ihren Gefährten spielte. Keine Anzeichen dass der pfundschwere Nager den Untergang des größten Staubschiffs der Welt herbeiführen würde. Ordschugran kicherte.
"Nun", erwiderte Wasmir würdevoll, "wenn man schon geschichtsträchtige Zerstörung anrichtet sollte man sie wenigstens überleben können um danach die Dichter zu belehren."
Benowe neigte den Kopf um ihre Aufgabe zu bedeuten, Ordschugran applaudierte verhalten.
"Die Gral-èn'tach stürzt nicht von einem einfachen Grabanfall eines Solan ab." Eine Matrosin setzte leichtfüßig auf der Reling auf und ging mit einem halben Schritt aufs Deck hinunter. Die Reling reichte den zahlreichen Raganaj an Bord nicht bis zur Hüfte. Ihr Solan, ein drahtiges Geschöpf, wieselte flink über ihren mittleren Flügel in die Seile und beeilte sich zum Spielplatz zu kommen. "Sie erzählen einander wie's an Bord läuft. Keine Sorge", wandte sie sich grinsend an Wasmir.
Die Matrosin hieß Map'hila und war freundlich und deutlich stolz auf das Schiff. Bereitwillig erzählte sie von Fahrten und Passagieren, das Wetter war angenehm, das Meer farbenprächtig im flachen Wasser und geheimnisvoll im tiefen. Als Benowe Map'hila schon fast soweit hatte sie zum Navigator zu bringen um eine Genehmigung zum Kartieren zu bekommen, wölbte sich unter ihnen das Meer nach oben. Augenblicke später erhob sich eine glatte Insel die schnell vorwärts glitt, dann folgte eine gewaltige runde Schwanzflosse, die mit einem Donnerknall aufs Wasser schlug.
"Die Horr."
Map'hila sagte es ruhig in ihr Staunen hinein. Die Schwanzflosse war nur die erste gewesen, es folgten viele weitere Rücken und Flossen; einige Horr stiegen weiter aus dem Wasser empor und ließen sich schwer fallen. Der Schwarm schien kein Ende zu nehmen. Es hieß er sei so groß dass er fast die Welt umspannte. Ordschugran war erst in Staunen erstarrt, dann in begeisterte Unruhe verfallen, wuselte hin und her und gestikulierte wild, während sie Map'hila mit Fragen überschüttete.
"Schwimmen sie nördlich oder südlich um Gdera herum? Rasten sie im Ryaq? Wie viele sind es? Wie alt werden sie? Ist es wahr dass sie Schiffe essen?"
"Das kannst du selbst überprüfen", lachte Map'hila während sie über die Reling sprang und anderen Matrosen ins Segelwerk folgte. Die Schatten der Felsen liefen übers Deck während sie an Höhe verloren, bis sie nur noch wenige Dutzend Meter über dem Wasser hingen und die Jungtiere unter den Eltern ausmachen konnten. Einige der Fontänen reichten fast ans Schiff heran, und es schien Wasmir als ob die Horr jetzt auch höher aus dem Wasser kamen. Die Gral-én'tach war riesig, aber die Horr waren um einiges größer. Ordschugran hing mit erregt peitschendem Schwanz weit über die Reling.
"Können wir auch?", fragte sie atemlos und boxte Wasmir mit dem Ellbogen. Sie zeigte auf einen der kleinen Felsen die bisher weit unter dem Schiff gehangen hatten. Jetzt waren sie nur noch knapp über dem Wasser, und zwei trugen Raganaj und Passagiere. Wasmir flog gern mit Ordschugran, aber es gehörte dazu dass er sich zierte.
"Ich weiß nicht; mit den Fontänen und deinem Schwanz stürzen wir womöglich in dieses Mahlwerk aus Fisch."
"Oh, ich warne dich, und ich halte ganz still", versicherte Ordschugran eifrig. Ergeben und unterdrückt grinsend hielt Wasmir die Arme auf. Ordschugran stellte sich auf seinen Fuß und hielt mühsam den zitternden Schwanz still während sie sich an Wasmirs Arm klammerte. Wasmir schwang sich sitzend über die Reling und ließ sich fallen. Zumindest seine Sorge über die Fontänen war echt, aber Ordschugran hielt Wort und berichtete von jeder einzelnen. Der Fels war gerade groß genug um bequem darauf zu stehen, aber Wasmir musste die Flügel einsetzen damit die in alle Richtungen zeigende Ordschugran nicht fiel. Der Zug der Horr schwamm unendlich an ihnen vorbei. Nach drei Stunden hatten sie seine Breite überquert und stiegen wieder höher, sodass Wasmir und Ordschugran an Bord zurückkehrten. Benowe und ein Schiffer saßen in bequemen, etwas übergroßen Sitzpfuhlen; sie legte letzte Hand an die Legende einer Karte.
"Navigator Pakrana kaufte meine Kraftlinienkarten", erklärte sie zufrieden, stempelte das Papier und überreichte es beidhändig.
"Wir wissen Qualität zu schätzen", sagte der Navigator und erwiderte Benowes Höflichkeit. Ordschugran ließ ihre Flut von Eindrücken auf Benowe los, unterstrichen mit Gesten und Lautmalereien. Schließlich ließ sie sich erschöpft in einen Pfuhl fallen. Einen Moment hielt sie still, dann begann sie in ihren Taschen zu kramen. Schließlich zog sie einen oft gefalteten Zettel hervor, auf dem sie mit Benowes Stift zwei Markierungen setzte. Mokri piepste fragend.
"Staubschiff fliegen - jepp. Horr sehen - jepp", sagte Ordschugran überaus zufrieden und räumte den Zettel wieder weg. "Jetzt noch einen Berger in Lozir und ich nenne diese Reise einen Erfolg."

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